Vorurteile abbbauen | Stereotype bei Fachpersonal in der Sozialen Arbeit mit Familien

Stereotype sind nicht nur negativ. Sie erleichtern den Einstieg in soziale Interaktionen und dienen als Mittel der Übersetzung von Unbekanntem. Stereotype können aber zum Problem werden, wenn die individuellen (und kulturellen) Hintergründe der ratsuchenden Person nicht genügend berücksichtigt werden. Wichtig ist anzuerkennen, dass auch bei professionellen Beraterinnen und Beratern Stereotype wirken.

Zentrale Voraussetzung der Arbeit mit Homosexuellen oder mit deren Angehörigen ist die bedingungslose Akzeptanz von Homosexualität als eine natürliche, der Heterosexualität gleichwertige Variante sexueller Identität, die nichts mit Gesundheit oder Krankheit zu tun hat. Zur Akzeptanz gleichgeschlechtlich empfindender Menschen und einfühlendem Verstehen in die jeweiligen Lebensentwürfe gehört eine vertiefte Selbsterfahrung mit den eigenen homoerotischen und den eigenen homophoben Seiten. Dies bedeutet mehr als das „politisch korrekte“ Bekenntnis, dass Homosexualität zur „Normalität“ gehöre und keine besondere Rolle in der Beratung spiele. Es kann ein großer Unterschied sein, ob ein heterosexuelles Ehepaar ein Kind adoptiert oder Menschen in einer homosexuellen Lebenspartnerschaft ein Kind bekommen möchten.

Die Fähigkeit zur Empathie setzt ein Grundwissen über die Lebensumstände und Lebensrealitäten des Gegenübers voraus. Im Falle von homosexuellen Ratsuchenden gehören dazu fundierte Kenntnisse über die Besonderheiten der Sozialisation in einer (oft unreflektierten) heterosexistischen Alltagsrealität. Diese Sozialisation ist meist durch vielfältige Diskriminierungserfahrungen geprägt.

Hinter Stereotypen über Homosexuelle steht oftmals die bewusst oder unbewusst abgewehrte Infragestellung der eigenen sexuellen Identität und des eigenen Lebensstils. Anti-homosexuelle Reaktionen fallen meist umso massiver aus, je stärker man sic durch einen homosexuellen Lebensentwurf provoziert fühlt. Hinzu kommt, wie stark die eigenen unverarbeiteten homosexuellen Empfindungen unterdrückt werden müssen. Stereotype stehen dann nicht nur der beraterischen Empathie im Weg, sondern verhindern auch den konstruktiven Umgang mit dem Beratungsanliegen für den Ratsuchenden und damit auch einen Beratungserfolg.

Hier stellt sich nun die Frage, wie an die eigenen Stereotype herankommen, wenn sie oftmals unbewusst sind?

Mehr zum Thema:
„Auswirkungen von Stereotypen auf das Fachpersonal in der Sozialen Arbeit mit Familien“ von Heiko Reinhold
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